Vollbesetzt und lebhaft war die Podiumsveranstaltung der Handwerkskammer Münster zum 101. Deutschen Katholikentag zum Thema „Wirtschaft 4.0: Strukturbruch oder Chancen auf gute Arbeit“. Handwerkskammerpräsident Hans Hund skizzierte als Einführung in die Diskussion die Digitalisierung als tiefgreifenden gesamtwirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Prozess, der vielleicht eine sogar noch größere Herausforderung als der Fachkräftemangel darstelle: „Die Digitalisierung der Lebenswelten verändert unsere Gesellschaft wie nur wenige Entwicklungen zuvor. Ich bin der Meinung, die Digitalisierung ist eine riesige Chance für die Betriebe, wenn sie die Möglichkeiten konsequent für sich nutzen.“ Hund forderte: „Das Bildungssystem muss sich besser als bisher auf das digitale Zeitalter einstellen. Die technische Infrastruktur, ein Teil der Lehrpläne und auch die Ausbildung eines Teils der Lehrkräfte benötigen ein Update.“

Einblicke in die Praxis gab Heinrich Jürgens, Geschäftsführer der Jüke Systemtechnik GmbH in Altenberge, einem weltweit vernetzten Unternehmen mit Großkunden aus der Medizintechnik. Globaler Transfer großer Daten ist für Jüke unentbehrlich. Jürgens ist davon überzeugt, dass in der „Wirtschaft 4.0“ Wertschöpfungsketten zunehmend aufbrechen werden – mit weitreichenden Auswirkungen auf die Arbeitswelt. „Diesen Weg können Betriebe nur zusammen im Team mit Arbeitnehmern gehen“, konstatierte der Unternehmer und Arbeitgeber für rund 100 Beschäftigte. Es brauche die Anregungen und Ideen junger Leute ebenso wie den Fundus langjähriger Erfahrung. „Wir müssen zusammensitzen und die Dinge diskutieren.“ Im Zuge dieser Entwicklung legten gerade die Jüngeren immer mehr Augenmerk auf eine ausgewogene Work-Life-Balance, was weitere Veränderungen des Arbeitens mit sich bringe.

Das Bundesinstitut für Berufliche Bildung (BIBB) begleite den Wandel in der Arbeitswelt durch die Ausgestaltung von Ausbildungsordnungen und Weiterbildungsregeln gemeinsam mit den Sozialpartnern, betonte Präsident Prof. Dr. Friedrich Hubert Esser. In zahlreichen Berufen stiegen die Anforderungen mit der Digitalisierung, was lebenslanges Lernen erfordere, aber die Nachwuchssicherung im Handwerk beim Trend zur Hochschule zusätzlich erschwere.

Die Sorgen und Fragen mehrerer Teilnehmer drehten sich vor allem darum, wo leistungsschwächere Schüler und Auszubildende ihren Platz finden, wenn einfachere Arbeiten durch die Digitalisierung entfallen. Heinrich Jürgens meint dazu: „Die Betriebe müssen mehr Arbeit in die Ausbildung stecken. Das Handwerk bietet diesen Nachwuchskräften eine gute Chance für ein erfolgreiches Berufsleben. Das bedeutet aber auch, dass die Betriebe mehr soziale Arbeit leisten müssen, um die Schwächeren erfolgreich auszubilden.“ Prof. Dr. Esser ergänzte, dass die Anforderungen an Lehrer, Ausbilder und Bildungszentren stiegen. „Die Technik muss der Pädagogik folgen. Pädagogen müssen begeistern, dann haben wir eine Chance!“

Beitragsbild: Angeregte Diskussion zu „Wirtschaft 4.0: Strukturbruch oder Chance auf gute Arbeit“ auf dem Katholikentag in Münster (auf dem Podium v.l.): Heinrich Jürgens (Jüke Systemtechnik), Prof. Dr. Friedrich Hubert Esser (BiBB), Annette Dirks (HWK Münster, Fachbereich Digital- und Printmedien) und Moderator Carsten Schröder (FH Münster).